Stühle werden verrückt, Trennwände aufgestellt und Spender mit Desinfektionsmittel gefüllt – die Vorbereitungen vieler Friseursalons laufen vor der Wiedereröffnung am kommenden Montag auf Hochtouren. „Die Vorfreude ist groß – bei Kunden und ihren Friseuren gleichermaßen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks, Jörg Müller. Die Betriebe seien auf den Ansturm der Kunden vorbereitet. Frust herrscht hingegen bei vielen Kosmetikerinnen, deren Läden weiterhin zu bleiben.
Seit Mitte Dezember sind die Friseursalons wegen der Pandemie geschlossen, im Frühjahr 2020 hatten sie schon mal dichtmachen müssen. Zwischendrin durften die Betriebe nur unter Einhaltung strenger Auflagen öffnen – auch diesmal orientieren sich die Vorbereitungen an einem strikten Hygienekonzept. „Wir halten einen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern ein und tragen eine medizinische Maske. Umhänge werden nach jedem Kunden gewechselt und der Arbeitsplatz desinfiziert“, sagte Müller. Zudem arbeiteten Friseure ausschließlich nach vorheriger Terminvergabe.
422 Euro für den ersten Termin gehen an einen guten Zweck
Wie groß die Sehnsucht vieler Kunden nach einem neuen Haarschnitt ist, zeigt ein Blick in die Regale der Drogeriemärkte. Die Drogeriekonzerne dm und Rossmann berichtet etwa, dass die Nachfrage nach Haarscheren in den vergangenen Wochen gestiegen sei – bei Rossmann nach Unternehmensangaben teilweise sogar um das Vierfache.
Kein Wunder also, dass sich die Terminbücher der Friseursalons seit Bekanntgabe der Öffnungen schnell füllen. Kunden müssen laut Branchenangaben mit einer Wartezeit von mehreren Wochen rechnen. Die Betreiberin eines Salons in Duisburg, Sadiye Kisin, schrieb auf Facebook: „(…) seit Tagen steht unser Telefon nicht mehr still, bis zum 11.03.2021 gibt es schon keine freien Termine mehr.“ Ein Friseur aus Bayreuth versteigerte den ersten Termin nach dem Lockdown für einen guten Zweck – für 422 Euro. Um dem Kundenandrang gerecht zu werden, wollen viele Betriebe täglich länger und auch montags öffnen und für Mitarbeiter Schichtbetrieb einführen, sagte etwa der Geschäftsführer des Fachverbands Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg, Matthias Moser.
Scholz will Steuern für Friseure nicht senken
Anders als nach den Lockerungen im Mai vergangenen Jahres, rechnet Müller diesmal nicht mit Preissteigerungen. Damals mussten Kunden für Haarschnitte nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 5,4 Prozent mehr bezahlen als im Vorjahresmonat. Doch auch Preissteigerungen konnten den starken Nachfragerückgang oftmals nicht ausgleichen. So hatte der Umsatzeinbruch etwa Deutschlands größte Friseurkette Klier in die Insolvenz gedrückt. Anfang Dezember war ein Verfahren eröffnet worden, um die Forderungen der Gläubiger zu prüfen. Eine Gläubigerversammlung ist für diesen Donnerstag angesetzt.
Dennoch will Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) den Mehrwertsteuersatz für Friseur-Dienstleistungen nicht auf sieben Prozent senken. Einer entsprechenden Forderung vieler Friseure erteilte Scholz am Mittwochabend in einer Video-Diskussionsrunde mit Friseur- und Kosmetikbetrieben eine Absage. „Wir sind schon einen sehr weitreichenden, sehr teuren Schritt gegangen, was die Frage Gastronomie und Hotellerie betrifft, wo wir das gemacht haben“, sagte Scholz. Eine entsprechende Steuererleichterung auch für Friseurbetriebe wäre eine „dauerhafte Komplikation für die Staatsfinanzierung, die wir nicht gut hinbekommen können“, so Scholz weiter.
Überdies gibt es auch Kritik an den Friseur-Öffnungen am 1. März. „Friseure sollten zu sein“, meinen etwa die Mitglieder von „#ZeroCovid“ – eine Initiative von Wissenschaftlern, Aktivisten und Gesundheitspersonal. Sie fordern einen strengen Lockdown, damit die Infektionszahlen auf null sinken. Eine Öffnung der Salons bewirke das Gegenteil – es sei anzunehmen, dass die Zahlen wieder anstiegen. „Die nächste Corona-Welle rollt an“, sagte David Schrittesser aus dem Presseteam der Initiative.
Kritik an den Öffnungen kommt auch von Kosmetikern, wenn auch aus einem anderen Grund. „Ich bin schockiert über die Ungleichbehandlung“, sagte die Landesinnungsmeisterin der Friseure und Kosmetiker in Sachsen-Anhalt und Thüringen, Sybille Hain. Schließlich bestehe immer ein Abstand zwischen Kosmetikerin und Kundin, dann noch die FFP2-Maske und ein Schutzvisier.
F.A.Z.-Newsletter „Coronavirus“
Die ganze Welt spricht über das Coronavirus. Alle Nachrichten und Analysen über die Ausbreitung und Bekämpfung der Pandemie täglich in Ihrem E-Mail-Postfach.
Auch die Handwerkskammer Potsdam spricht von einer riesigen Enttäuschung bei Kosmetikern, die mittlerweile in Wut und Frust umschlage. „Die Angst, dass sie durch die weiteren Schließungen in immer schwereres Fahrwasser für das wirtschaftliche Überleben geraten, wird immer größer“, sagte Sprecherin Ines Weitermann.
Ob die Corona-Zahlen trotz der Friseuröffnungen nicht ansteigen und die Kosmetikbetriebe bald bundesweit nachziehen können, bleibt abzuwarten. Aber vorerst gilt: Weg mit der Corona-Mähne!
Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (53) war nach eigener Aussage nicht auf einer Geburtstagsfeier des früheren Wirecard-Chefs Markus Braun (52). Er habe Braun zwar an dessen 50. Geburtstag 2019 getroffen, aber nichts von dem Geburtstag gewusst, sagte Kukies am Mittwochabend im Untersuchungsausschuss des Bundestags. Nach dem Gespräch in Aschheim bei München sei er zu anderen Terminen weitergefahren.
Kukies gilt als Schlüsselzeuge, weil er mit vielen Strängen in dem Fall Wirecard befasst war und ist. Außerdem ist er engster Mitarbeiter von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (62), der am Donnerstag im U-Ausschuss aussagen soll. Kukies betonte, das Treffen mit Braun habe in keiner Weise dazu geführt, dass das Finanzministerium oder er selbst nachlässiger gegenüber Wirecard gewesen seien. Es habe auch zu keinem eine Privilegierung der Wirecard AG gegeben. „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt die Handynummer von Herrn Braun“, bekräfitgte Kukies die offenbar rein geschäftsmäßige Beziehung.
Zugleich äußerte der Finanzstaatssekretär sein großes Bedauern, dass viele Kleinanleger im Zuge der Wirecard-Pleite viel Geld verloren hätten, „manchmal die gesamte Altersvorsorge“. Die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss gehen davon aus, dass durch den Skandal ein wirtschaftlicher Schaden von mehr als 20 Milliarden Euro entstand.
Kukies soll Vorwürfe mit Braun besprochen haben
Der inzwischen insolvente, frühere Dax-Konzern Wirecard hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht mittlerweile von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus – und zwar seit dem Jahr 2015.
Braun gilt als einer der Drahtzieher des mutmaßlichen Milliardenbetrugs bei Wirecard. Zum Zeitpunkt seines Treffens mit Kukies gab es bereits Berichte über Unregelmäßigkeiten bei dem damaligen Dax-Konzern. Kukies berichtete, diese Vorwürfe habe er bei Braun auch angesprochen. Dieser habe sich aber optimistisch gezeigt, alles aus der Welt schaffen zu können.
Im Untersuchungsausschuss geht es vor allem um die politische Verantwortung für den Skandal. Die Opposition und auch die Union sind überzeugt, dass Finanzminister Scholz diese Verantwortung maßgeblich trägt. Welche persönliche Verantwortung damit verbunden sei, müsse die für Donnerstag geplante Befragung von Scholz als Zeugen zeigen, sagte der CDU-Politiker Matthias Hauer. „Erst einmal ist aus meiner Sicht ganz deutlich in diesem Untersuchungsausschuss geworden, dass Olaf Scholz die politische Verantwortung trägt“, sagte er.
Hintergrund ist, dass das Finanzministerium für die Finanzaufsicht Bafin zuständig ist. Der Bafin werden schwere Fehler rund um den Betrugsskandal bei Wirecard vorgeworfen. Dabei geht es um Zuständigkeitsgerangel, aber auch um ein umstrittenes Verbot von Wetten auf fallende Kurse bei Wirecard im Februar 2019. Es festigte bei Investoren den Eindruck, Wirecard sei Opfer einer gezielten Attacke von sogenannten Leerverkäufern. Sie spekulieren auf fallende Kurse eines Unternehmens und veröffentlichen dafür oft bewusst negative Informationen.
„Wir wissen, wie zentral diese Fehlentscheidung zum Leerverkaufsverbot gewesen ist“, sagte Grünen-Obfrau Lisa Paus (52). Nicht nur Kukies, sondern auch Scholz seien darüber informiert gewesen. Paus warf Scholz eine scheibchenweise Informationspolitik vor. Dies nähre den Verdacht, dass der Minister „persönlich viel tiefer im Wirecard-Sumpf steckt, als bisher angenommen“.
Ministerium will keinen Druck auf Bafin ausgeübt haben
Kukies betonte, die Bafin agiere eigenverantwortlich, auch bei der Verhängung eines Leerverkaufsverbots gegen ein Unternehmen – eine bis dahin nie da gewesene Maßnahme. Das Ministerium habe seine Rechts- und Fachaufsicht nach Vorschrift wahrgenommen und keinerlei Druck auf die Bafin ausgeübt.
Das Finanzministerium habe aber wichtige Lehren aus dem Fall gezogen. Die bisherigen Gesetze, Regeln und Institutionen hätten den Fall nicht verhindern können. Nun solle unter anderem die Bilanzkontrolle grundlegend reformiert und die Bafin gestärkt werden.
Am Mittwoch sagte auch Justizministerin Christine Lambrecht (55, SPD) vor dem Ausschuss aus. Ihr Ministerium ist für die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) zuständig, die im Staatsauftrag Bilanzen kontrolliert und auch im Fall Wirecard aktiv war. Das Ministerium habe aber keinen Zugriff auf Einzelfälle und übe keinerlei Aufsicht aus, betonte Lambrecht. Das könne man kritisieren mit dem Wissen von heute, aber so sei das Konstrukt gewesen.
Die Bafin hatte dem privatrechtlich organisierten Verein DPR im Februar 2019 den Hinweis auf Ungereimtheiten in der Halbjahresbilanz 2018 von Wirecard gegeben. Daraufhin veranlasste die DPR eine Prüfung. Inzwischen hat die Bundesregierung den Vertrag mit der DPR zu Ende 2021 gekündigt.
Die Südwest-Wirtschaft hat die verschärfte Testpflicht in Unternehmen massiv kritisiert und gefordert, die Beschäftigten stärker in die Pflicht zu nehmen. „Noch kann niemand abschätzen, wie viel die verpflichtenden Testangebote in den Betrieben wirklich bringen, doch schon wird noch mal draufgesattelt: Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Politik dieser Bundesregierung nähert sich dem Nullpunkt“, sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer der Unternehmer Baden-Württemberg, am Mittwoch in Stuttgart.
Es wäre aus Sicht der Wirtschaft besser gewesen, die Beschäftigten zu verpflichten, sich testen zu lassen oder sich selbst zu testen. „Es gleicht einer Bankrotterklärung, wenn Regierungsparteien sich nicht mehr trauen, das Richtige zu tun, nur, weil sie dann auch den Beschäftigten – und Wählern – auf die Füße treten müssen.“ Dick fügte hinzu, dass die Erfahrung zeige, „dass die Testangebote von den Beschäftigten verhaltener angenommen werden, als dies aus Sicht des Infektionsschutzes vielleicht geboten wäre“.
Am Dienstag war die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung in Kraft getreten, die die Betriebe verpflichtet, allen Beschäftigten in Präsenz mindestens einen Schnelltest pro Woche anzubieten. Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett, dass Unternehmen zwei Corona-Tests pro Woche bereitstellen müssen. Falls möglich, muss der Arbeitgeber seinen Angestellten Homeoffice ermöglichen und Arbeitnehmer müssen das normalerweise auch annehmen.
Mit etwaigen Interessenten für ein Aktienpaket hat Hensoldt bereits Gespräche über deren strategische Pläne geführt.
(Foto: dpa)
Berlin, München Der US-Finanzinvestor KKR will sich von einem weiteren Aktienpaket am Rüstungselektronik-Konzern Hensoldt trennen. KKR sei in fortgeschrittenen Gesprächen über einen Verkauf eines Aktienpakets von voraussichtlich bis zu 25,1 Prozent, teilte Hensoldt am Mittwoch mit.
Zu den Interessenten zählten die Rüstungskonzerne Indra aus Spanien, Leonardo aus Italien, die schwedische Saab und die französische Thales. Mit ihnen habe Hensoldt bereits Gespräche über deren strategische Pläne geführt.
Das „Manager Magazin“ hatte berichtet, KKR habe von Thales ein „finanziell hochattraktives Angebot“ bekommen. Thales wolle Sparten zusammenlegen und auf lange Sicht die Führung bei der ehemaligen Airbus-Tochter aus Taufkirchen bei München übernehmen.
Die Bundesregierung war Ende des Jahres mit 25,1 Prozent bei Hensoldt eingestiegen, wenige Monate nach dem Börsengang. KKR hatte dafür rund 450 Millionen Euro kassiert und hält nun noch 43 Prozent. Der deutsche Staat wollte mit der Sperrminorität bei dem Lieferanten von Radar- und Verschlüsselungstechnik für die Bundeswehr „ungewollte strukturelle Entscheidungen abwehren“.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und per E-Mail benachrichtigt werden.
Er hätte damit ein Mitspracherecht beim Verkauf weiterer Anteile. Bereits damals war Hensoldt ins Visier von Thales und Leonardo geraten.
Mehr: Bertelsmann und KKR wollen gemeinsam Musikrechte kaufen.